Fed-Age P.I. - Adventures in the 22nd Century
[ Episoden-Index ] - [ Download ]

Folge 3: Jazz'n'Jesus

von Thomas Nikolajsen
-- frei nach den STAR TREK-Motiven von Gene Roddenberry --

* * * * * * * *

Achtung:
Diese Geschichte enthält satirische Elemente und Anmerkungen bezüglich einiger religiöser/christlicher Vorstellungen; sie ist aber keineswegs darauf angelegt, irgendwelche aufrichtig empfundenen religiösen Gefühle zu verletzen.
(Streng) gläubige Christen sollten diese Folge hier lieber nicht lesen oder wenn dann nur auf eigene Gefahr!

 
Der Mann hatte Charisma, er verstand es, die Menge in Ekstase und Feierlaune zu versetzen.
"Jesus is a Funky Guy, He's your Brother, He's Your Best Friend, when You Live and when You Die!", sang er. Hinter ihm brodelte die Big Band, der Gospelchor fiel mit ein - James Presterian, der psychadelische Swing-Priester, brachte den Leuten das Christentum auf eine Weise näher, die man einfach nur als bombastisch bezeichnen konnte. Seine Shows waren immer Gottesdienst und Konzert in einem, Kritiker behaupteten des Öfteren, er feiere sich selbst mehr als den eigentlichen Heiland.

Steven Gomez, Malcolm Dorix und Denise Whittman saßen im Wohnzimmer des Privatdetektivs und sahen sich das Spektakel auf dem Fernseher an, von Außen einem originalgetreuen Nachbau der 1950er Technologie (aber in bester Qualität und natürlich in Farbe). Gomez liebte diese Art von Musik, nichts brachte seinen Sinn und seine Vorliebe für die Vergangenheit mehr zum Ausdruck als der voluminöse Sound des Swing und der Big-Band-Ära. Allerdings hatte er auch nichts gegen sparsamer instrumentierte Jazz-Balladen; das uralte "Blondinen und Saxophon"-Klischee hatte sich von Kindesbeinen an für alle Ewigkeit in sein Gedächtnis eingebrannt. Womit er aber bei der im Moment dargebotenen Show nur wenig anfangen konnte war der religiöse Aspekt. Dorix mochte weder das Jesus-Getue noch die Musik sonderlich; er ging besonders oft zur Bar, auf's Klo oder an die Espresso-Maschine. "Sei froh dass wir nicht live vor Ort sind!", lachte der Detektiv, "Da könntest du dich nicht so einfach aus dem Staub machen!"
"Fernsehen ist auch nicht besser. Diese primitive Art der Unterhaltung wurde zu Recht 2040 abgeschafft!"
"Aber nicht ersatzlos; sie wurde in andere Medien integriert... Wäre es dir lieber, wenn wir uns die Show auf einer Riesenleinwand oder als holographische Projektion auf dem Tisch anschauen würden?"
"Nicht wirklich; bei diesem schwachsinnigen Gedudel ist diese antiquierte Art der visuell-akkustischen Unterhaltung genau das Richtige!"
"Pass bloß auf was du sagst, Junge, noch ein Wort gegen Jazz oder Swing und ich schieb' dir deine Rock- und Experimental-Elektronik-Sammlung sonst wohin!"
Denise reagierte ungewöhnlich gereizt auf diesen nicht ganz so ernst gemienten Streit: "Haltet doch bitte mal die Klappe, ich kann nicht verstehen was Presterian jetzt redet!"
Verdutzt sahen die Beiden die junge Schwarzafrikanerin an: "Was denn, der redet auch noch so, ohne die Big Band im Hintergrund?"
"Natürlich! Ich mag zwar hin und wieder auch diesen Jazz-Kram, aber was mich noch mehr an dieser Show interessiert ist der christliche Aspekt! In meinem... Bis zu meinem 13. Lebensjahr bin ich jeden Sonntag in die Kirche gegangen, zum Teil in verschiedene Gottesdienste, auch welche mit Gospelchor habe ich mal besucht!"
"Heißt das, du bist gläubige Christin?", fragte Malcolm.
"Nicht unbedingt... Manche Predigten bei den eher spießigen Gottesdiensten haben mich sogar zu Tode gelangweilt, aber die Gospelsachen hatten schon etwas für sich! Und das was James Presterian hier abzieht ist eine Mischung aus eben jener Soul-Gospel-Sparte und Jesus-Freaks, mit einem großen Anteil an Jazz, Funk und Swing!"
"Jesus-Freaks?", echote Gomez, "ich habe schon mal von ihnen gehört, sind das oder waren das nicht diese Hippie-Typen, die mit Christus einen auf Kumpel machen und die ihre Abendmahls-Oblaten mit Haschisch verfeinern?"
"Das mit den Drogen mag wohl eher eine Ausnahme gewesen sein, aber die Kumpelnummer stimmt voll und ganz! - Ach Mist, jetzt habe ich euretwegen die ganze Predigt verpasst!"
Die Big Band und der Chor setzten wieder zu einem tosenden, diesmal eindeutig Funk-orientierten Spektatel an:

Chor:
"Halleluja!"
Presterian:
"It's the Christ Machine!"

"Auch das noch, jetzt vermurksen sie auch noch den alten James Brown!", brummte Gomez halb missmutig, halb amüsiert...

- - - - -

Drei Tage nach dem gemeinsamen Fernsehabend saß Gomez wieder allein an seinem Schreibtisch, als Denise auf einmal aus dem angrenzenden kleinen Büroraum hereingeplatzt kam: "Wir haben einen neuen Auftrag! Es geht um einen andorianischen Jungen und James Presterian!"
"Was denn, fahren die Blauhäute etwa auch auf seine Show ab? Oder wollen sie Beschwerde einlegen? Dafür wäre ich dann aber die falsche Adresse!"
"Mr. Prann klang auf jeden Fall sehr besorgt und meinte, sie seien seine letzte Hoffnung!"

Vierzig Minuten später stand ein älterer, gar nicht so stark und aggressiv wie viele seines Volkes wirkender Andorianer vor dem Detektiv und ließ nervös die Antennen kreisen. "Also das ist der Arbeitsplatz eines 'Privatdetektivs'... Ich hoffe Sie können mir weiterhelfen, mein Enkel, der Sohn meiner zweitältesten Tochter ist in die Fänge dieser Sekte geraten, deren Anführer ein gewisser James Presterian ist, ein Mensch, wie der Name schon sagt... Ach ja, mein Name ist Shevol Prann!"
"Dieser Mann ist mir durchaus bekannt, Mr. Prann, aber seine Gemeinde als Sekte zu bezeichnen wäre nicht unbedingt angemessen. Schließlich ist das Christentum seit etlichen Jahrhunderten eine der Hauptreligionen der Erde, in all ihren Facetten, auch wenn sie in der letzten Zeit nicht mehr eine ganz so große Bedeutung hat. Allerdings kann ich verstehen, dass Sie als Nichtmensch alle irdischen Religions-Gemeinschaften, die ihren Glauben auf leidenschaftliche und zuweilen ein wenig unorthodoxe Weise vertreten als Sekten bezeichnen!"
"Da dürften Sie wohl Recht haben; verstehen sie mich nicht falsch, gegenn eine gewisse Neugier anderen Kulturen und Religionen gegenüber habe ich nichts einzuwenden, schließlich sind wir ja beide Mitglieder der Föderation der Vereinten Planeten! Nur wenn Leute wie Presterian diese Neugier schamlos ausnutzen und versuchen, Ausenstehenden ihren Glauben aufzudrängen geht das eindeutig zu weit! bei allem Respekt, ich hoffe ich verletzt damit nicht ihre religiösen Gefühle aber die Anbetung eines Mannes, der sich vor 2000 Jahren freiwillig an ein Kreuz nageln ließ erscheint mir schlichtweg unverständlich! Und dann ist da noch diese grauenhafte laute Musik, die sicher den Verstand der Gläubigen lähmen soll! Ich werde nicht zulassen, dass diese Show mit meinem Enkel Dravden abgezogen wird!"
Den letzten Satz hatte er mit der von Andorianern gewohnten Wut gesagt und gleichzeitig ein PADD auf den Tisch geknallt, das einen jungen Andorianer Anfang bis Mitte 20 zeigte (sofern man irdische Maßstäbe bezüglich des Alters auch auf andere Völker anwenden konnte). Gomez wusste jetzt Bescheid, was sein Auftraggeber von ihm verlangte; bezüglich der Bezahlung stand eine erstaunlich hohe Summe auf dem PADD - ein Zeichen dafür, wie ernst es Shevol Prann war. Wenn Gomez den Auftrag noch rechtzeitig zu Ende brachte, konnte er sich dieses Jahr ein besonders üppiges Weihnachtsessen leisten; doch die Tatsache, dass man bereits den 12. Dezember 2171 schrieb ließ ihm nicht mehr viel Zeit bis dahin und es wollten ja auch noch die lieben Verwandten mit Geschenken versorgt werden. Eigentlich ein Unding, dass die meisten Leute den religiösen Ursprung des Weihnachtsfestes zu vergessen haben schienen, sich aber umso mehr an den Kommerz und den Geschenke-Stress erinnerten und diese Plackerei auch noch ausgiebig praktizierten...

- - - - -

Den Informationen zufolge, die ihm Prann und Malcolm gegeben hatten hielt Dravden Phkoll sich in New York auf, wo Presterians Gemeinde ihren Hauptsitz hatte. Gomez beschloss, sich als Priester der Neo-Orthodoxen Kirche auszugeben, die vor allem in Osteuropa verbreitet war. Etwas merkwürdig fühlte der Privatdetektiv sich schon, als er sich kurz vor der Abreise zur Ostküste im Spiegel betrachtete, mit langem, schwarzroten Priestergewand, dem falschen Bart und der Bibel in der Hand. Er konnte nur hoffen, dass hier in diesem Teil der Erde möglichst Wenige die Neo-Orthodoxen kannten, sonst würde er ganz schön alt aussehen...

New York, New York - der Glanz der Großstadtmetropole, schwer zu bändigender Verkehr seit Jahrhunderten, Heimat der Exzentrischen und Durchgeknallten... Steven Gomez bekam Kopfschmerzen von diesem Ort, an dem alles immer eine Nummer größer, schneller, heller, lauter und/oder in sonst einer Form extremer zu sein schien. Fast schon wunderte es ihn, dass er den Tempel des Jazz'n'Jesus-Gurus so schnell gefunden hatte, der sich am Broadway dicht an dicht mit anderen tempel- und palastartigen Gebäuden stand. Doch das hell scheinende Kreuz und der an eine antike Diskokugel erinnernde Kuppelbau waren selbst hier schwer zu übersehen. "Funky Christ" stand in glitzernden Buchstaben über dem Kreuz; Gomez trat ein und fühlte sich viel mehr an eine Edeldisko oder einen Konzertsaal vergangener Jahrhunderte erinnert als an eine Kirche. "Was kann ich für Sie tun?", fragte die Dame, die in der Eingangshalle an einer Art Rezeption saß.
"Mein Name ist Enrice Bastalav von der Neo-Orthodoxen Kirche. Ich habe viel von James Presterians ungewöhnlichen Gottesdiensten gehört und wäre sehr an einen Gedankenaustausch interessiert!"
"Wurden Sie von Mr. Presterian eingeladen oder wurde Ihr Besuch in sonst einer Weise angekündigt?"
"Nein, ich bin ganz spontan hierher gekommen, den ganzen weiten Weg von Argentinien um dieses ruhmreiche Gotteshaus einmal von Innen zu sehen!"
"Ich bedaure, aber unser Chief Reverend ist ein sehr beschäftigter Mann! Ich werde Ihre Ankunft vermerken und er wird sich so bald wie möglich um Sie kümmern. Sie können derweil mit einem unserer Gästequartiere vorlieb nehmen!"
"Vielen Dank, aber ich habe schon ein Zimmer in einem Hotel reserviert; unter dieser Nummer bin ich die nächsten zehn Tage erreichbar. Ach noch was, sagen Sie Mr. Presterian, dass ich Jazz liebe!" Er legte ein Kunststoffkärtchen mit der Hoteladresse auf den Rezeptionstisch und verließ die "Kirche".

Das Hotel befand sich vier Blocks weiter; kaum war er im vorreservierten Zimmer angekommen wurde er auch schon von Denise begrüßt, die es sich mit einem tragbaren Computer bequem gemacht hatte.
"Was machen Sie denn hier? Wollten Sie nicht in Chicago bleiben und eventuelle Nachforschungen seitens Presterians manipulieren?"
"Um die Computer in Argentinien kann sich auch Malcolm kümmern; ich selbst bin für direkte Nachfragen zuständig, die ich auch von hier aus bearbeiten kann und außerdem wollte ich einfach mal wieder nach New York! - Einen Augenblick mal, da kommt auch schon eine, von James Presterian persönlich!" Sie verwandelte sich in eine langhaarige Lateinamerikanerin und sprach mit starkem spanischen Akzent zu dem Computerbildschirm: "Sekreteriat der Neo-Orthodoxen Kirche Südamerika, womit kann ich Ihnen dienen?"
"James Presterian von der Funky-Christ-Kirche. Ein gewisser Enrice Bastalav hat um eine Audienz bei mir gebeten und ich möchte nur sicher gehen, ob er auch wirklich derjenige ist, für den er sich ausgibt!"
"Einen Augenblick bitte!" Sie tat so, als würde sie nach irgendwelchen Dateien suchen und Gomez hatte Mühe, nicht laut loszuprusten. Nach einer Minute sprach seine Assistentin weiter: "Ja, er arbeitet seit drei Monaten für uns, ich schicke Ihnen gerade sein Bild. Seine Reise zu Ihnen muss er allerdings auf eigene Rechnung gemacht haben, auf jeden Fall hat er keine Befugnis, als offizieller Vertreter für unsere Kirche zu sprechen!"
"Vielen Dank, Señora und Gott sei mit Ihnen!"

- - - - -

Bereits am darauffolgenden Tag war Presterian bereit, den als Priester getarnten Detektiv zu empfangen. Er führte den vermeintlichen Geistlichen in sein Büro und entschuldigte sich gleich für seine Nachforschungen: "Ich hoffe ich habe Sie damit nicht irgendwie in eine missliche Lage gebracht, aber jemand wie ich hat nicht nur Freunde, Mr. Bastalav! Wie ich hörte sind Sie nur aus privaten Gründen hier?"
"Das stimmt in der Tat, Mr. Presterian. Obwohl wir im Grunde genommen denselben Gott, denselben Heiland anbeten unterscheiden sich die konkreten Ausprägungen des christlichen Glaubens zum Teil erheblich! Viele, um nicht zu sagen die meisten meiner Kirche sind dem was Sie und Ihre Kollegen hier so machen gegenüber ziemlich misstrauisch... Korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre aber Ihre Kirche basiert doch eher auf protestantischen Ansichten, das heißt Sie haben keine Ikonen oder Heiligen?"
"Ganz genau! Sehen Sie, es geht mir darum den Leuten das Christentum auf eine, wie soll ich sagen,... spaßige und vor allem direkte Weise näher zu bringen, ohne den Ballast ablenkender Heiligen oder Ikonen, von denen ohnehin nichts in der Bibel steht, von den Aposteln einmal abgesehen! Man muss die Leute mitreißen, muss ihnen Jesus als einen der ihren präsentieren! Eine unserer Grundlagen ist in gewisser Weise der Baptistische Glaube; nur wer bereit ist, aus eigenem Antrieb zu Gott zu finden oder ihn besser noch bereits gefunden hat, wird auch getauft und ein gerade mal ein paar Monate altes Baby kann solche Entscheidungen doch noch gar nicht treffen! Dann wiederum sind mir die Baptisten mit ihrem bibelgetreuen Glaubensverständnis doch ein Wenig zu unflexibel; die Zeiten haben sich seit der Entstehung des Neuen Testaments einfach zu sehr geändert! Darum habe ich auch wesentliche Elemente von den sogenannten Jesus-Freaks übernommen - kennen Sie die?"
"Ich habe schon mal von ihnen gelesen. In meinen Augen sind das gottlose Spinner, die den Namen des Herrn missbrauchen, um wilde Orgien mit Drogen, Alkohol und womöglich auch noch Gruppensex zu feiern!"
Presterian lachte. "Ihre Ehrlichkeit gefällt mir und Ihre Antwort ist auch genau das, was ich von einem Vertreter gerade der orthodoxen oder katholischen Kirche erwartet hätte! Ich kann Ihnen versichern, dass der 'Funky Christ'-Orden auf einem deutlich höheren Niveau angesiedelt ist; ich nehme zum Beispiel den wie mir gesagt wurde auch von Ihnen geschätzten Jazz und Swing, gelegentlich auch eine gepfefferte Prise Funk als Vorlage in Anlehnung an traditionelle Gospel-Musik. Allerdings bin ich mit dem jetzigen Namen nicht ganz so zufrieden, er klingt zwar fetzig, aber auch ein wenig zu überdreht. Wenn mir nur etwas Anderes einfiele..."
Gomez räsperte sich und das, was er nun sagte war diesmal keine Lüge: "Schon als ich zum ersten Mal die Übertragung eines Ihrer Gottedienste sah dachte ich mir, dass man das ganze Programm am besten als Jazz'n'Jesus bezeichnen könnte!"
"Halleluja, das ist es! Auf die naheliegendste Lösung kommt man selbst immer als letztes. Ich werde sofort die Marketing-Abteilung informieren, Ihren Namen werde ich selbstverständlich erwähnen!"
"Bitte, Sir, es wäre mir lieber wenn Sie das für sich behalten würden, denn meine Vorgesetzten sind wie gesagt nicht gerade angetan von Ihrer Art, unseren gemeinsamen Glauben zu präsentieren... Ich habe übrigens gehört, dass Sie mit Ihrem Programm sogar Außerirdische für das Christentum begeistern können!"
"Nun ja, von Begeistern kann meistens keine Rede sein, ich würde es eher Neugier nennen... Aber warten Sie, da gibt es einen andorianischen jungen Mann, der wirklich mit Leib und Seele dabei ist. Nicht dass ich nicht stolz darauf wäre, schließlich vertrete ich die Meinung, dass Jesus für alle gestorben ist, die bereit sind sein Opfer anzunehmen, nicht nur für die Menschen, aber der Anblick eines blauhäutigen Humanoiden mit weißen Haaren und Antennen, der mit einer selten zu sehenden Innbrunst das Vaterunser betet ist schon ein Wenig gewöhnungsbedürftig! Soviel ich weiß hat er das Gebet des Herrn sogar in seine Muttersprache übersetzt!"
"Das klingt ja hochinteressant... Könnte ich den Jungen vielleicht mal sprechen? Keine Angst, ich will in Ihnen nicht wegnehmen aber ein paar Fragen hätte ich schon an ihn!"
"Nun, ich werde ihm Ihre Bitte unterbreiten, kann Ihnen aber keine Garantie darauf geben, dass er sich auf Sie einlassen will... Er ist nälich manchmal sehr eigen. Sein Name ist übrigens Dravden Phkoll! Und was Ihren wahrlich himmlischen Einfall für unsere Namensgebung betrifft - gegen eine anonyme Spende hätten sie doch nichts einzuwenden? Wenn Sie wollen auch in bar!"
"Führen Sie mich nicht in Versuchung... Aber na gut, gegen eine kleine Spende wäre wirklich nichts einzuwenden, vielleicht kann ich dann auch ein Gutes Wort für Sie einlegen, obwohl Sie in den Augen der Neo-Orthodoxen Kirchenväter streng genommen zur Konkurrenz zählen!"

- - - - -

Gomez machte sich auf direkten Weg auf zum Hotel, wo ihm die Abwesenheit von Denise gleich auffiel, aber auch nicht weiter verwunderte. Als sie drei Stunden später wieder kam, war sie fast über und über mit Tüten behängt. Frauen und ihr Einkaufsfimmel... Sie stellte die größtenteils Kleidung enthaltenden Gegenstände ab und fragte: "Und, wie lief das Gespräch?"
"Gar nicht mal so übel... dank meiner Hilfe wird der 'Funky Christ'-Orden wohl bald Jazz'n'Jesus heißen und wenn ich Glück habe werde ich auch bald mit dem Andorianer sprechen können! Ihn da herausuzholen dürfte sich wohl als schwierig erweisen, vor allem wenn er wirklich an diesen ganzen Kram glaubt! Aber ich denke mit Ihrer Hilfe......"
"Nein! Vergessen Sie's! Wenn Sie darauf hinaus wollen, dass ich mich als Jungfrau Maria oder gar den Heiland persönlich in einer Weise ausgebe, die Phkoll das Christentum vermiesen soll, mach' ich nicht mit! Das ist nicht dasselbe wie ein Schlossgespenst spielen, hier geht es um religiöse Grundwerte, die wir alle zu respektieren haben und die wir auf keinen Fall mit Füßen treten dürfen!"
Verdutzt wegen dieser scharfen Absage starrte er sie mir offenem Mund an. Etwas versöhnlicher fuhr sie fort: "Sie werden das schon schaffen, Steve, Sie haben schon schwierigere Fälle gelöst, bevor ich in Ihr Leben trat!"

Gomez begab sich an diesem Abend ziemlich früh zu Bett - eine weise Entscheidung, denn schon um sechs Uhr morgens erhielt er einen Anruf von Presterian, der ihm mitteilte dass der junge Andorianer ihn um acht Uhr zu empfangen bereit sei. Denise im Nebenbett drehte sich einmal um und murmelte etwas von "Idiot" und "unchristliche Zeit". Der Privatdetektiv wollte lieber gar nicht erst wissen, wo sie sich letzte Nacht herumgetrieben hatte, er hatte auch gar nicht mitbekommen wann sie wieder von ihrem nächtlichen Ausflug zurückgekehrt war. Immerhin hatten die Einkäufe sich (noch) nicht vermehrt...

Dravden Phkoll empfing ihn in seiner kleinen Ein-Zimmer-Wohnung, die sich unweit der Kirche auf einem ebenfalls zur Gemeinde gehörenden Grundstück befand. Er trug auffallend bunte Kleidung, die ein Wenig an die Hippie-Ära des 20. Jahrhunderts erinnerte. Doch das riesige goldene Kreuz, das auf das robanartige Gewand gestickt war wies seinen Träger als Christen aus. Fast schon etwas schüchtern, aber mit einem beinahe fanatischen Blick in den Augen schüttelte er dem Besucher die Hand. "Willkommen in meinem bescheidenen Heim, Referend Bastalav! Ich würde gerne wissen ob sich in Ihrer Gemeinde auch außerirdische Christen befinden..."
"Also in meiner Gemeinde in Argentinien gibt es keine; wie es in Europa aussieht kann ich nicht sagen - fest steht dass immer wieder Besucher von anderen Welten, meistens der Föderation zugehörig zu uns kommen, aber in aller Regel als Touristen, die ein Wenig von unserer für sie exotischen Kultur sehen möchten. Einige befassen sich auch auf wissenschaftlicher Basis mit den irdischen Religionen, aber Sie sind der Erste, der den Glauben auch angenommen hat und offiziell konvertiert ist... was mich ehrlich gesagt ein Bisschen verwundert!"
"Wieso? Glauben Sie etwa, dass unser aller Bruder Jesus nur für die Menschen gestorben ist? Jeder, der bereit ist sein Opfer anzuerkennnen und ihm sein Herz zu öffnen kann sein Jünger werden! Der Typ ist einfach nur irre, er hat stets den Frieden gepredigt, wo andere Gewalt erwarteten und als sie ihn dafür auch noch töteten, stand er drei Tage später wieder auf und feierte eine Riesenparty!"
"Naja, das mit der Riesenparty, ob man das so aus der Bibel rauslesen kann... Was ich aber eigentlich wissen wollte wie lässt sich der Glaube an Gott und Jesus mit Ihrer eigenen, andorianischen Kultur vereinbaren? Wie reagieren Ihre Freunde und Verwandten darauf?"
"Ach die... Mein biologischer Vater ist ein Säufer, wie Sie auf der Erde sagen würden, meine biologische Mutter ein seelisches Wrack und meine anderen beiden Eltern - nun, mein zweiter Vater sieht sich lieber nach anderen jungen Männern um und meine zweite Mutter ist ständig auf Geschäftsreise! Deshalb wuchs ich die meiste Zeit bei meinem Großvater Shevol auf, dem Vater meiner biologischen Mutter. Er bestand immer sehr auf die andorianischen Traditionen, besonders als wir auf die Erde zogen! Aber ich fühlte mich nie wirklich wohl bei all dem strengen Kram, ich verspürte eine innere Leere... Bis ich auf diesen Orden stieß! Presterian nahm mich wie einen Sohn bei sich auf, er sagte dass Jesus auch mich liebte und stets ein offenes Ohr für meine Sorgen hätte! Hier gibt es zwar auch Regeln, aber keineswegs so streng und verbohrt wie die, die mein Großvater mir aufzwingen wollte! Und wenn er nicht bereit ist, meinen Glauben zu akzeptieren dann kann er mir gestohlen bleiben!"
"Das klingt ja ziehmlich unversöhnlich... Sie sprachen vorhin von zwei weiteren Eltern; wurden Sie etwa adoptiert?"
"Adoptiert? Ach so, Sie meinen wohl - nein, zu einer traditonell andorianischen Ehe gehören immer Vier! Zwei Frauen, zwei Männer. Dadurch sollen unter Anderem Spannungen und Eifersucht vermieden oder möglichst klein gehalten werden, die eine Zweierbeziehung viel stärker gefährden und sogar zerstören können!"
"Ach du Heilige Mutter Gottes! Eine Ehe zu Viert? So etwas gilt bei uns als Sünde!"
Phkoll lachte. "Genau das sagte Pater Presterian auch, nur ohne den Ausruf mit der Mutter Gottes! Ich selbst fühlte mich bei dem Gedanken auch immer unwohl, wahrscheinlich deshalb weil ich aus einer solchen Ehe stamme, in der alle vier Eltern nie wirklich für mich da waren... Ich sehne mich nach einem harmonischen Leben zu zweit, die Kinder nicht mitgerechnet, mit einer Frau, die meinen Glauben teilt!"
"Eine andorianische Christin?"
"Das wäre mein sehnlichster Traum... aber ich würde auch eine Menschenfrau heiraten; mit Gottes Hilfe und vielleicht noch dem Geschick vulkanischer Gentechniker wären sogar gemeinsame Nachkommen möglich!"
"Eine Mischehe? Das wäre sicherlich eine interessante Neuerung... Auf jeden Fall wünsche ich Ihnen viel Glück weiterhin mit Ihrem Glauben und hoffe, dass Sie sich doch noch eines Tages mit Ihrem Großvater aussöhnen!"
"Schickt er Sie?"
"Wie kommen Sie darauf, dass Ihr sich streng an die Regeln der andorianischen Lebensweise haltender Großvater ausgerechnet einen Neo-Orthodoxen Priester beauftragen würde?"
"Stimmt auch wieder - Ich danke Ihnen auf jeden Fall für Ihren Besuch; vielleicht kann ich ja mal Ihre Gemeinde besuchen?"
"Gewiss!"

"Nach diesem Gespräch traf er sich noch mit Presterian, der ihm im Verlauf ihrer zweiten Unterhaltung gestand, dass er und viele Mitglieder seiner Gemeinde hin und wieder zu bewusstseinserweiternden Drogen griffen, aber stets in geringen Dosierungen und nur auf freiwilliger Basis. "Es gibt mehrere Wege, um Kontakt zum Herrn aufzunehmen und in Maßen eingesetzt wirken diese chemischen Hilfen dabei manchmal Wunder!"
"Nimmt auch Phkoll derartige Mittel zu sich?"
"Mr. Bastalav, Sie klingen ja wie ein Polizist! Es besteht wie gesagt keinerlei Zwang, die Verwendung solcher Substanzen bleibt jedem Mitglied dieser Gemeinde selbst überlassen! Wenn jemand eine Überdosis nimmt bekommen wir das natürlich schon mit und ergreifen dann auch entsprechende Maßnahmen; bei Phkoll auf jeden Fall traten noch nie derartige Nebenwirkungen auf, er lebt unseren Glauben nur aus ganzem Herzen! Ach ja, heute Abend findet wieder ein Gottesdienst statt, der weltweit übertragen wird; Sie können natürlich live dabei sein!"

- - - - -

Diesmal war Denise noch anwesend, als der Detektiv wieder im Hotelzimmer ankam. Er setzte sich in den Sessel und seufzte schwer. "Na, ist es nicht so gut verlaufen?", erkundigte sich seine Assistentin. "Was soll ich sagen... Meine letzten Aufträge habe ich alle vermasselt und dieser hier wird nicht anders enden! Zuerst konnte ich den Tod von Sarah Hansen nicht verhindern, auch wenn dieser nur vorgetäuscht war, dann habe ich in Rumänien für den Falschen gearbeitet und jetzt schaffe ich es wohl auch nicht, Dravden Phkoll vo seinem Glauben abzubringen! Wobei ich mich frage ob ich das überhaupt versuchen sollte, denn so falsch sind die Jungs und Mädels von der Jazz'n'Jesus-Gemeinde gar nicht, auch wenn sie hin und wieder den Geist stimulierende Drogen nehmen!"
Die Erwähnung von Sarah Hansens Namen ließ sie innerlich zusammenzucken und eine Träne lief ihr die Wange hinunter. Schnell drehte sie sich in die andere Richtung, damit er nichts sah. Sarah war sie selbst gewesen, vor wenigen Monaten noch, bevor sie ihren eigenen Tod vortäuschte, um mit neuer Identität ungestörter ihre neuerworbenen Kräfte einzusetzen. Doch ihre Eltern, ihre Freunde, die sie mit dieser schweren Entscheidung für immer hinter sich gelassen hatte fehlten ihr... Da riss Gomez' Stimme sie wieder aus ihren Gedanken: "Presterian hält heute Abend wieder einen Live-Gottesdienst, wollen Sie vielleicht mit?"
"Ich... ich weiß nicht, Steven..."
"Oh mein Gott, Sie haben ja geweint... Ich alter Esel, warum musste ich auch von von der alten Hansen-Sache reden! Es tut mir leid, ehrlich... Vielleicht täte es Ihnen ganz gut, auf diese Veranstaltung zu gehen, Viele finden auch heute noch Trost in der Religion!"
"Naja, das ist zwar gut gemeint, aber ich weiß nicht, ob ich all die fröhlichen, gutgelaunten Christen mit ihrer funky Musik in meinem Zustand ertragen könnte! Es waren nicht allein Ihre Worte, schließlich ist das kommende Weihnachtsfest ja das erste, dass ich ohne..." Sie brach vollends in Tränen aus und Gomez, der mit großen und noch dazu so offen dargelegten Gefühlen noch nie viel anfangen konnte nahm sie etwas unbeholfen in seine Arme und versuchte, ihr Trost zu spenden.

Sie einigten sich schließlich darauf, dass Denise im Hotel blieb und die Übertragung dort auf ihrem tragbaren Computer verfolgen und jederzeit abschalten konnte, wenn es ihr zu viel werden sollte. Gomez begab sich - wie gewohnt in der Gestalt des Neo-Orthodoxen Priesters - direkt an den Ort des Ereignisses. Noch mehr als bei dem Gottesdienst vergangener Woche wurde hier auf weihnachtliche Stimmung gesetzt; die oft schon im Original groovy swingenden Evergreens wurden dabei mit einer besonderen Prise von heiligem Jazz vorgetragen. Der Höhepunkt des Abends war sicherlich, als Bastalav alias Gomez auf die Bühne kam und im Duett mit Presterian "I'm Dreaming of a White Christmas" zu Besten gab, wobei diese Version sich von der langsamen Ballade bis hin zum fetzigen Swing steigerte.

- - - - -

Dravden Phkoll, der den Gottesdienst ebenfalls genossen hatte beschloss noch am selben Abend ein Wenig zu meditieren, um in der Stille Kontakt zu seinem Heiland aufzunehmen. Dabei griff er auf eine speziell für Andorianer angefertige Droge mit bewusstseinserweiternder Wirkung zurück. Er hatte sie schon zwei Mal mit einigem Erfolg angewendet und setzte die Dosis für seine dritte Erfahrung der besonders spirituellen Art ein klein Wenig herauf, aber eigentlich nur minimal. Doch welch große Wirkung dieser kleine Unterschied haben konnte sollte sich schon bald herausstellen...
"Howdy, Bruder!"
Der Andorianer öffnete die Augen und blickte auf: Vor ihm stand die Erscheinung eines etwa 30 Jahre alten Erdenmannes mit langen Haaren und Vollbart; seine Gestalt leuchtete und war zu einem kleinen Teil durchscheinend. Das Auffälligste an ihm aber war die ringförmige Leuchterscheinung, die gleich einer Krone aus Licht knapp über seinem Kopf schwebte. "Du siehst richtig, Kumpel, ich bin es, dein alter Freund Jesus, aber nenn mich lieber Jessie, Junge!"
Phkoll starrte ihn mit offenem Mund an. War dies tatsächlich der Heiland persönlich?
"Nun schau nicht so, Dravden, lass uns lieber einen Trinken gehen! Ich habe gehört, die Romulaner sollen Hervorragendes auf dem Gebiet des Hochprozentigen zu bieten haben!"
"A-a-aber es ist uns verboten, die Neutrale Zone zu durchqueren und es hat auch noch niemand einen leibhaftigen Romulaner zu Gesicht bekommen!"
"Na und? Wenn uns ihr Anblick nicht gefällt, trinken wir sie uns einfach schön!" Er lachte schallend und klopfte seinem blauhäutigen Jünger derart stark auf die Schulter, dass dieser beinahe das Gleichgewicht verlor.
"Die Jesus-Freaks waren die ersten und ihrerzeit auch die Einzigen, die mein wahres Ich erkannt haben! Der ganze Heiligen- und Ikonenkrempel der Katholiken und Orhodoxen geht mir echt sowas von auf den Sack, warum glauben die denn, mit mir nicht persönlich in Kontakt treten zu können? Ich bin doch schließlich kein unerreichbarer Gott, sondern Jessie, euer aller Kumpel! Und was mich am meisten abtörnt ist diese Marien-Verehrung. Ich weiß meine Mutter hat mich geboren, empfangen vom Heiligen Geist blablabla, aber sie deshalb gleich auf praktisch einer Stufe mit mir und gar Gott zu stellen? Als 'Mutter Gottes'? Viele glauben sogar, dass ich der menschgewordene Gott sei... Aber selbst wenn, dann habe ich doch gar keine echte Mutter, denn Gott existiert seit und für alle Ewigkeiten! Mann oh Mann, wenn die alle wüssten, wie die wirklich drauf war - ich war ungefähr Acht, da hat sie angefangen, es mit fast jedem Dahergelaufenen zu treiben weil Josef fast keinen mehr hochkriegte! Und nur weil er sie schon damals wie eine Heilige behandelte, schließlich war sie die Mutter des Heilands, meine Mutter! Sie war nicht die schlechteste, gewiss nicht, aber auch keine Heilige! Ach Bruder, wie gerne würde ich noch ein Bisschen mit dir quatschen, aber ich muss jetzt wieder... Man sieht sich!" Er formte die Finger seiner erhobenen rechten Hand zum Friedenszeichen und löste sich schlichtweg in Luft auf.

Verwirrt blieb Phkoll eine Weile wie angewurzelt stehen, dann nahm er plötzlich die Beine in die Hand und rannte zu Presterian, als sei der Leibhaftige hinter ihm her. Als er ihn vor seinem Büro erreichte machte Bastalav sich gerade daran zu gehen. Er erzählte beiden von seiner seltsamen Vision und der orthodoxe Priester fing gleich an zu fluchen: "Dieser falsche Prophet, wie kann er es wagen so über die Heilige Jungfrau zu reden? Ich wette Sie haben eine Überdosis Halluzinugene zu sich genommen!" Innerlich lachte Gomez aber bei dem Gedanken an diese schräge Jesus-Persiflage. Und er konnte sich auch schon denken wer dahinter steckte...
"Nein, ich habe nur 15 Milligramm mehr genommen, ich habe es genau abgewogen, für eine derart halluzinugene Wirkung hätte ich mindestens 100 Milligramm mehr nehmen müssen!"
"Dravden, der Herr führt uns immer wieder in Versuchung; die Erscheinung die du hattest zeigte nicht den wahren Christus, denn der hätte sich trotz aller Lockerheit und Kumpelhaftigkeit niemals so abfällig über die Romulaner geäßert! Wir hatten zwar Krieg gegen sie geführt, aber Jesus hatte die Feindesliebe stets hochgehalten!", meinte Presterian. Gomez fügte hinzu: "Ich halte es für die wahrscheinlichste Erklärung, dass irgendein Ungläubiger Ihnen einen Streich mit einem holografischen Projektor gespielt hat!"
"Und wie erklären Sie sich dann den Schlag auf meine Schulter? Mir tut sie jetzt noch weh und ich kann Ihnen sagen, das fühlt sich sehr real an, realer als jede Halluzination oder jedes Hologramm!"

- - - - -

Als Gomez mit einem dicken Grinsen auf dem Gesicht zum Hotel zurückkehrte, schlief seine Assistentin schon tief und fest. Er küsste sie sanft auf die Wange und stieg leise vor sich hin kichernd in sein Bett.

Als Denise am nächsten Morgen aufstand, wurde sie vom Anblick eines voll gedeckten Frühstückstischs überrascht. "Steven, Sie sind wirklich ein Schatz! Wie ich sehe haben Sie heute erstaunlich gute Laune..."
"Und das liegt in erster Linie an Ihnen! Die Show, die Sie gestern Abend mit Dravden abgezogen haben muss einfach zum Schreien gewesen sein! Aber die Lästerei über die Jungfrau Maria hätten Sie nicht ganz so dramatisch ausbauen müssen, schließlich gibt es bei den protestantisch orientierten Kirchen wie Presterians Gemeinde keine Heiligen!"
"Was? Wovon reden Sie eigentlich? Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich keine Auftritte machen werde, die die religiösen Gefühle anderer Leute verletzen oder religiöse Grundwerte durch den Schmutz ziehen könnten! Wen oder was auch immer Dravden Phkoll gesehen hat oder gesehen zu haben glaubt, ich war es definitiv nicht! Niemals!"
Der Privatdetektiv starrte sie ungläubig an. "Wenn Sie es wirklich nicht waren, wer dann? Vielleicht doch eine Art Hologramm, nur so weit fortgeschritten, dass auch taktile Eindrücke vermittelt werden können? Falls ja, dann könnte dies möglicherwiese auf einen Geheimdienst hindeuten. Oder wie wär's mit Tolayon? Schließlich hat er Sie zu dem gemacht, was Sie jetzt Sind!"
"Ich weiß es nicht. Mein 'Schöpfer' kommt aber kaum in Frage, denn seine Anwesenheit oder die eines Anderen seines Volkes hätte ich gespürt!"

Nachdem die soeben noch gute Stimmung der Verwirrung und Ratlosigkeit gewichen war, kündigte der Portier auch noch den Besuch Dravden Phkolls an. Gomez wollte gerade nach seinem falschen Priesterbart suchen, als er bemerkte dass er ihn die ganze Zeit nie abgelegt hatte. Sich anziehen mussten er und Denise aber schon, also bat er den Portier, den Andorianer noch zehn Minuten warten zu lassen.

Als Dravden eintrat war Denise gerade im Bad und Gomez empfing den Besuch in voller Priestermontour.
"Oh, wie ich sehe haben Sie gerade einen Gast...", meinte er mit Blick auf den noch nicht restlos abgedeckten Frühstückstisch.
"Keinen Gast, das ist nur Schwester Denise. Sie begleitet mich auf fast all meinen Reisen, kann mit Presterians Orden aber nicht allzu viel anfangen. Deshalb war sie auch nie bei meinen Besuchen anwesend! Nun, was kann ich für Sie tun, mein Sohn?"
"Ihr Sohn? Ach ja, das sagen christliche Priester generell! Nun also, das Erlebnis von gestern Abend hat mir keine Ruhe gelassen. Ich habe mir von einem Bekannten einen Handscanner ausgeborgt und mein Quartier nach Anzeichen von holografischer Technologie gesucht, konnte aber nichts dergleichen finden!" Er gähnte ungeniert, was offenbar auf eine schlaflose Nacht hindeutete.
"Der Projektor oder mit was auch immer diese Erscheinung hervorgerufen wurde wurde bestimmt schon längst herausgebeamt! Ich hoffe doch Sie lassen sich dadurch nicht in Ihrem Glauben beeinflussen?"
"Ehrlich gesagt weiß ich nicht mehr genau, was ich glauben soll. Dieser 'Jessie' benahm sich genau so wie Viele in meiner Gemeinde sich den Heiland vorstellen. Wissen Sie, an etwas zu glauben und dann auf einmal seinem Gott oder in diesem Fall Heiland gegenüber zu stehen, auch wenn es sich nur um eine Projektion handelt, die sich genau so verhält wie man sich vorgestellt hat erscheint mir sowas von... absurd! Auf jeden Fall habe ich beschlossen, wieder Kontakt zu meinem Großvater aufzunehmen. Ich weiß, er hat Sie nicht geschickt, aber vielleicht..."
"Ich werde sehen, was ich tun kann. Haben Sie seine Adresse? Wenn nicht, kann Denise sie bestimmt ausfindig machen."
Wie auf Stichwort trat die soeben genannte aus dem Bad und nervös wie ein kleiner Schuljunge stammelte der junge Andorianer: "Gu-gu-guten Morgen, Ma'am, ich meine Schwester..."
"Ach, nennen Sie mich einfach nur Denise!" Sie schüttelte ihm die Hand und seine Knie drohten zu versagen. Sah sie nicht aus wie ein Engel?

- - - - -

Nachdem Denise gegangen war und Dravden ihr einige schmachtend-verträumte Blicke hinterher geworfen hatte fragte er Gomez, ob sie noch ledig sei. "Sie ist meines Wissens nach weder verheiratet noch sonstwie gebunden; aber wollten Sie mir nicht die Adresse Ihres Großvaters geben?"
"Wer braucht denn schon einen Großvater, wenn er eine Göttin wie Denise in seinen Armen halten kann?"
"Nun mach mal halblang, Junge, du kennst sie doch gar nicht und zudem grenzt deine vorherige Behauptung auch noch an Blasphemie!" Er hatte einen deutlich persönlicheren Ton angeschlagen und behandelte den Andorianer nun tatsächlich wie ein Vater seinen (in diesem Fall offensichtlich liebeskranken) Sohn. Der zeigte sich wie ein bockiger Teenager uneinsichtig und beharrte darauf, in Denise den Sinn und die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Gomez dachte nicht, dass sein Auftraggeber mit diesem Wandel einverstanden wäre, ganz zu Schweigen von seiner Assistentin, die sich nun wohl mit einem aufdringlichen Verehrer herumschlagen musste... Da griff er zu einer List: "Hör mal, ich habe es noch niemandem gesagt, aber ich habe Denise schon geliebt, als du noch gar nicht zum Christentum konvertiert warst! Es wird wohl Zeit, dass ich ihr meine Gefühle offenbare, denn ich werde nicht zulassen, dass ein Grün- pardon: Blauschnabel wie du sie mir wegschnappst!"
Der Andorianer sah in eine Weile lang sprachlos an und schlug dann zu. Doch Gomez wich geschickt aus und Dravdens Hand rammte die Wand des Hotelzimmers. Dann nahm er den Weißhaarigen in einen Würgegriff, dem sich selbst ein Andorianer kaum entziehen konnte. Zehn Minuten später lagen beide erschöpft am Boden, als Denise auf einmal zurück kam. "Hei-hei-heirate mich, oh mein Engel!", keuchte Dravden, dessen Gesicht dunkel angelaufen war.
"Ja seid ihr denn verrückt geworden? Ihr prügelt euch wie die Schulkinder und das alles wohl meinetwegen? Dravden, du magst zwar süß und attraktiv sein, aber momentan habe ich absolut gar keinen Nerv für eine feste Beziehung, egal mit wem!"
"Dann werde ich warten, du schönste Blume der Erde, andere Frauen werden für mich nicht existieren... Bitte lass mich dein Sklave sein, ich tue echt alles was du willst!"
"Alles? Echt? Dann setz dich bitte mit deinem Großvater in Verbindung, wir haben seine Adresse, falls du sie verloren haben solltest!"
"Mit... meinem Großvater? Weil du es bist, werde ich gehorchen. Ich weiß aber wirklich nicht mehr genau, wo er wohnt..."

- - - - -

Shevol Prann war überglücklich, seinen Enkel wieder in die Arme schließen zu dürfen. Weniger erfreut über diese Entwicklung war James Presterian, der ein wertvolles Mitglied seiner Gemeinde verlor - zumindest glaubte er, dass Dravden Phkoll sich von ihm abwandte. Dieser hatte sich von seiner leidenschaftlichen Besessenheit von Denise erstaunlich gut erholt oder ließ sich das nicht anmerken; vielleicht hatte Denise selbst ein Bisschen nachgeholfen, mit einem kleinen Energiestoß... Auf jeden Fall versuchte Gomez, der am Ende seine wahre Identität gegenüber Dravden und Presterian offenbart hatte, zwischen den beiden Seiten zu vermitteln und für Toleranz und Verständniss gegenüber der jeweils anderen Lebensweise zu werben: "Ich mag zwar nicht wirklich ein gläubiger Christ sein und schon gar nicht ein echter Priester, aber ich habe mich bei diesem Fall durchaus mit diversen religiösen Aspekten beschäftigt. Soweit ich verstanden habe integrieren die orthodoxen Christen Elemente ihrer eigenen vorchristlichen Kultur, zumindest inoffiziell gibt es in Osteuropa zum Teil auch heute noch eigentlich heidnisches Schamanentum, dass nebenbei von den Christen dort praktiziert wird. Dravden könnte der Gründer seiner eigenen Gemeinde werden, der Andorianisch-Orthodoxen Kirche! Mit ein Bisschen Fantasie kann man sich die Sache schon so zurecht biegen, dass im Extremfall sogar die traditionelle Vierer-Ehe mit einbezogen werden kann... Mr. Prann, Dravden, ich wünsche Ihnen Beiden noch alles Gute für Ihre weitere Zukunft und üben Sie Toleranz! Zum Schluss möchte ich noch einmal betonen, dass ich trotz meines Auftrags nichts mit der Erscheinung zu tun hatte, die sich als 'Jessie' ausgegeben hat!"
Presterian, der zum ersten Mal wirklich unsicher wirkte meinte: "Mr. Prann, Ihr Enkel ist aus freien Stücken zu unserer Gemeinde gekommen; ich habe ihm lediglich unsere Lebensweise und unseren Glauben gezeigt und er traf seine Entscheidung aus eigenem Willen! Ansonsten kann ich mich nur Mr. Bastal... ich meine Mr. Gomez anschließen, was die Gründung einer möglichen andorianischen Kirche auf orthodoxer Basis anbelangt! Die Zeit ist wirklich günstig, es ist Weihnachten, das Fest der Liebe, auch wenn dies in manchen Ohren seltsam bis kitschig klingen mag!"
"Fest der Liebe...", brummte Prann, "ich werde nicht zulassen dass auch nur eine Ihrer Erden-Religionen unsere Lebensweise vergiftet! - Mr. Gomez, ich danke Ihnen dafür, dass Sie meinen Enkel aus den Klauen dieser Sekte befreit haben; ich habe Ihnen das versprochene Gehalt bereits auf Ihr Konto überwiesen. Ich vermag den Glauben der Menschen sehr wohl zu respektieren, solange er sich nicht auf die von Ihnen beschriebene hinterlistige Weise in die andorianische Gesellschaft einschleicht! Sollten Sie Dravden mit Ihrem Gerede bezüglich einer 'Andorianisch-Orthodoxen Kirche' Flausen in den Kopf gesetzt haben, die dieser auch noch umzusetzen versuchen sollte ziehe ich Ihnen das vom Gehalt ab! Ähm, nun ja, trotz meiner Abneigung ist mir durchaus bewusst, was das zu dieser Jahreszeit fast überall auf der Erde gefeierte Fest bedeutet; als eine Geste der Freundschaft, der Völkerverständigung und um Dravdens Rückkehr zu feiern werde ich einen kleinen Weihnachtsbaum bei uns zu Hause aufstellen. Aber wirklich nur einen kleinen! Und wenn ich ganz, ganz guter Laune bin werde ich mich vielleicht, aber nur vielleicht in eine Ihrer Kirchen setzen und mir das exotische Spektakel eines irdischen Gottesdienstes antun. Also dann, meine Herrschaften - frohe Weihnachten!"

Sie verabschiedeten sich und Gomez beschloss, sich über die ungeklärten Phänomene dieses Falls - Die hippimäßige Jesus-Erscheinung, Dravdens plötzlich aufflammende und ebenso schnell verebbende Leidenschaft für Denise - keine allzu großen Gedanken mehr zu machen und war beinahe bereit, dies auf den (diesmal ziemlich ausgeflippten) Geist von Weihnachten zu schieben...

 
ENDE

 
[Nach Oben] [Index]

 
 

Disclaimer:
STAR TREK wurde von Gene Roddenberry entworfen und ist eingetragenes Markenzeichen von Paramount Pictures; die Rechte liegen bei dieser Firma.

"Fed-Age P.I. - Adventures in the 22nd Century" ist eine Fan-Fiction, welche auf oben erwähntem Konzept beruht. Die Rechte an Charakteren und Eigenheiten, die hierin vorkommen und nicht aus einer der offiziellen StarTrek-Serien bzw. -Filme oder Konzepten anderer Autoren stammen liegen bei dem Autor der Fan-Fiction, Thomas Nikolajsen.

Jede Ähnlichkeit mit realen Personen, Orten oder Ereignissen ist, sofern keine ausdrückliche Übereinstimmung existiert, zufällig.